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Dunkle Momente am Ischler Salzberg vor 75 Jahren

Blog Beitrag von Franz Kranabitl vom 18.06.2020

© Franz Josef Erbstollen, Kunstgütertransport 1944, Archiv Salinen Austria

Kaiser Franz Josef – Erbstollen, Kunstgütertransport, 1944, Archiv Salinen Austria


Der während des II Weltkrieges zuständige Gaukonservator für Oberdonau und spätere Landeskonservator für Oberösterreich Franz Juraschek, hat neben Aussee auch den Ischler Salzberg als Bergungsort für gefährdete Kunstschätze vorgeschlagen.

Besonders nachdem das Salzbergwerk Aussee zum „Bergungsort des Reiches“ und speziell für Objekte des „Führermuseums“ in Linz geworden ist, wichen Juraschek und Hans Dellbrügge, Regierungspräsident in Wien, in den Erbstollen bei Bad Ischl aus.
 

Plan Bergung 1944

Schachtmaschine Distlerschacht:  Alle Kunstgegenstände wurden damit in den II. Blindhorizont transportiert, 1940


Für die Einlagerungen wurden der I. und II. Blindhorizont vorgesehen, der über den Distlerschacht vom Erbstollen und von Perneck, vom Leopoldstollen, erreichbar waren. Aufgrund der leichteren Anlieferung zum Erbstollen wurden alle Einlagerungen über diesen durchgeführt.

​Im II. Blindhorizont wurde der sogenannte Bahnhof, der zum Verschub der Grubenbahn diente, für die Bergung vorbereitet. Zusätzlich wurde noch das Ebenseer Werk mit 1100 Quadratmeter, im I. Blindhorizont für Einlagerungen freigegeben. Ein vom I. zum II. Blindhorizont führender Schurf, wurde später verschüttet, damit niemand ungebeten die Lagerräume erreichen konnte. Anfang 1945 war der „Bahnhof“ so verkleidet, dass nur ein Gleis frei blieb. Der übrige Raum war für die Lagerung von Gemälden vorgesehen. Er wurde an beiden Enden mit schweren hölzernen Bohlentüren verschlossen. Das machte den Eingang absolut sicher. Nur die Lüftungsrohre blieben frei.
 

Kunstgütertransport, 1944/45


Ab Nov. 1944 wurde beschlossen, die Wiener Kunstsammlungen sowie die Lichtensteinische Gemäldegalerie im Ischler Salzberg einzulagern. Die Tagesberichte aus Lauffen setzten mit 9. Dezember 1944 mit dem Eintreffen der Restauratoren Josef Hajsinek von Wien und Franz Sochor von Kremsmünster ein. Der erste Transport traf mit 12. Dezember 1944 in Lauffen ein. Fast alle Wiener Sammlungen verlagerten Bergungsgut nach Lauffen.

Gert Adriani wurde zum Leiter der Bergung ernannt. Aber nach einem fatalen Missgeschick wurde er von Viktor Luithlen, Leiter der Sammlung alter Musikinstrumente, ersetzt. Dieser blieb dies bis zum Ende der Rückbergungen, 1947.
 

Kunstgutdepot 2. Blindhorizont, 1986

Katharina Hammer, Glanz im Dunkel


Wertvolle Bestände aus geistlichem Besitz wurden jetzt auch im Ischler Erbstollen statt im Ausseer Salzberg gelagert. Ein Transport nach dem anderen gelangten aus Wien ein. Aus fast allen staatlichen Sammlungen stammten Schätze: Da gab es 150 Kisten aus der Nationalbibliothek mit Handschriften und Druckwerken, von denen jede einzelne Seite schon eine Kostbarkeit darstellt. Bestände aus den Naturhistorischen Museum, dem Völkerkundemuseum, dem Kunstgewerbemuseum, dem Kunsthistorischen Museum, der Liechtenstein-Galerie und aus dem Grazer Landesarchiv wurden angeliefert.

​Bilder von so bedeutenden Künstlern wie Rembrandt, Raffael, Bruegel, Albrecht Dürer, Jan van Eycks, Rubens und auch von „modernen“ Malern wie Munch, Monet, Klimt und Kokoschka wurden in Ischl eingelagert. Daneben aus den Antikensammlungen die Goldschatzfunde, Elfenbeine, Vasen, Schmuck und Statuetten.​

Eine kleine Auswahl welch unschätzbar wertvollen Kunstgegenstände im Ischler Salzberg eingelagert waren:


Eine besondere Bewandtnis hatte es auch mit dem „Tassilokelch“ aus dem Stift Kremsmünster:

​Offiziell war er in der Bergung Aussee untergebracht, aber nachdem dieser 1943 zum offiziellen Bergungsort für Hitler wurde, wurde er heimlich von Gaukonservator Franz Juraschek im Ischler Salzberg eingelagert.

Am 18. April 1945 trat in der Generaldirektion der Salinen ein Krisenstab zusammen, um jene Maßnahmen zu besprechen, die nötig seien, um der Ischler Bergung die Einlagerung einer Bombe wie in Aussee zu ersparen.

Die Bergung soll nach diesem Plan vollkommen unzugänglich gemacht werden. Das „Füllort“ des Distlerschachtes im Erbstollen soll vollkommen mit Gestein zugeschüttet, „verstürzt“ werden. Den Aufzug will man bis zur Decke des Leopold Horizontes, also bis zu seinem obersten Endpunkt hinaufziehen und dort stilllegen. Die Treppen, die neben dem Aufzug hinaufführen, die sogenannten „Fahrten“, sollen unter- und oberhalb des I. und II. Tiefbaus herausgerissen und die Verschüttung des Schurfes zwischen I. und II. Tiefbau verstärkt werden. Diese Arbeiten wurden bis 5. Mai 1945 fertiggestellt.​

In der Zwischenzeit spitzte sich die Lage auch in Ischl / Lauffen dramatisch zu. Hier waren zwischen 20. und 25. April 1945 insgesamt 928 Bilder verschiedenster Herkunft aus der Kartause Gaming (Niederösterreich) eingetroffen. Die Gemälde waren auf Befehl Hermann Stuppäcks (Generalkulturreferent des Reichsstatthalters Baldur von Schirach) in Gaming in höchster Eile "ohne irgendwelche Rücksichtnahme und ohne die geringste Sorgfalt kunterbunt durcheinander in die Wagen geworfen worden ".  Auf Grund der ,,barbarischen" Art des Transportes kamen zahlreiche Bilder " durchlöchert, abgerissen, überdies feucht oder sonst beschädigt in Bad Ischl/Lauffen an. Doch damit nicht genug, traf Stuppäck am 25. April mit dem Auftrag Schirachs in Bad Ischl ein, das in Lauffen verwahrte Bergegut unverzüglich weiter nach Westen zu verbringen. Zunächst wehrte sich Luithlen noch mit Erfolg gegen den Befehl, doch das Eintreffen von Offizieren und Soldaten der "Kampftruppe Fabian" von der SS-Panzerdivision "Großdeutschland" am Abend des 1. Mai machte jede weitere Verzögerung unmöglich. Hauptmann Reinhardt und Leutnant Kahles ließen sich nicht hinhalten. Am 3. Mai mussten unter Androhung von Waffengewalt die von Schirach gewünschten 184 Gemälde - unter ihnen sämtliche Bilder Rembrandts, P. Bruegels d. Ä., Tizians und Velazquez, 49 Gobelinsäcke und zwei Kisten auf Lastkraftwagen verladen werden. Man arbeitete bis tief in die Nacht. Der Marschbefehl erfolgte am 4. Mai. Um 4 Uhr früh verließ der Konvoi mit den Restauratoren Hajsinek und Sochor Bad Ischl in Richtung Mittersill. Der Konvoi traf am Abend desselben Tages in Bramberg im Salzburger Pinzgau ein, wo Stuppäck den Transport schon erwartete. Doch noch war die Irrfahrt der Kunstschätze nicht beendet. Schon am nächsten Tag mussten die Gemälde, Kisten und Gobelinsäcke auf Befehl von Major Fabian auf die Lastkraftwagen verladen werden. Der Transport durfte nur von Offizieren begleitet werden. Franz Sochor und Josef Hajsinek blieben in Bramberg, wo sie Verbindung mit der vorrückenden amerikanischen Armee aufnahmen und den Vorfall zur Anzeige brachten.

Alle Kulturgüter wurden dann von den Amerikanern in St. Johann in Tirol aufgefunden.
Der Endstand der Ischler Bergung betrug:  8 Figuren, 1428 Gemälde, 122 Säcke mit Gobelins, 278 Mappenkisten mit Katasterkarten und 728 Kisten. Insgesamt 150 Tonnen Bergungsgut.

Am 13 Mai 1945 kamen US-Amerikanische Truppen in Bad Ischl an, die die Kontrolle über den Bergungsort übernahmen.

Am 1. Juni 1945 konnten mit Erlaubnis der Besatzer auch die Arbeiten zur Freilegung der Schätze im Salzbergwerk begonnen werden, und zwar im Erbstollen und im Werk XII im I. Tiefbau. Der II. Tiefbau blieb zunächst noch verschüttet, aber auch seine Öffnung wurde bald darauf in Angriff genommen. Am 13. Juni 1945 war dann auch die Hauptbergung am „Bahnhof“ im II. Tiefbau wieder zugänglich. Es erwies sich, dass das Bergungsgut sich in ausgezeichnetem Zustand befand, mit Ausnahme eines verschollenen Bildes, eines Blumenstraußes von Jan Bruegel d. Ä., das später in einer Privatwohnung in München wiederauftauchte und 1959 nach einem Gerichtsurteil wieder ins Kunsthistorische Museum zurückkam.
 

"Monuments Man" Lieutenant Frederick Shrady


Am 11. Juli 1945 erschien „Monuments Man“ Lieutenant Frederick Shrady in Bad Ischl und kündigte an, dass die in der Pension Engeljähringer und in der Kaiservilla gelagerten Objekte, nach München zum „Central Collection Point“ gebracht werden würden. Diese Objekte wurden zuerst vom Salzbergwerk Aussee nach Ischl gebracht und sollten weiter in Lauffen eingelagert werden. Infolge der Kriegsereignisse war es dazu aber nicht mehr gekommen. Diese Kunstgegenstände gehörten aber nicht zu den Wiener Sammlungen, sondern waren Teil vom „Sonderauftrag Führermuseum Linz“!

Am 7. August 1946 erfolgte der erste große Rücktransport von Ischl nach Wien für eine Ausstellung in der Schweiz.

​Am 25. April 1947 verließ der letzte große Transport mit Kunstgütern den Salzberg von Ischl. Nach einer Kontrolle der Räume in Gegenwart des Gendarmerie - Kommandanten erfolgte die Schlusskommissionierung und die Salinendirektion übernahm wieder die alleinige Aufsicht über den Berg.

Die Bergung Lauffen war ohne größere Verluste bzw. Beschädigungen vor sich gegangen. Einzig der Verlust von 7 Bilder für das Kunsthistorische Museum musste beklagt werden, die auch heute noch als verschollen gelten:
Landschaft von Nicolaes Berchem (GG 623), Der Maler Jan Wildens von Anthonis van Dyck (GG 694), ein Weibliches Bildnis von Peter Paul Rubens (GG 711), von Maerten van Heemskerck Hoffnung (GG 1946) und Glaube (GG 1953.), eine venezianische Deckenskizze (GG 6398), sowie eine Leihgabe waren bei der Generalkontrolle am 26. April 1945 noch vorhanden gewesen.


Danke fürs Lesen,
Franz Kranabitl


Verwendete Quellen:

  • Katharina Hammer „Glanz im Dunkel“, Altaussee 1996
  • Franz Juraschek „Heimatblätter Oberösterreich“, Linz 1947
  • Britischer Informationsdienst „Weltpresse“, 9. Juli 1947
  • Sabine Loitfellner, Pia Schölnberger „Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus: Mythen - Hintergründe – Auswirkungen“, 18.4.2016
  • Theodor Brückler , Kunstraub, Kunstbergung und Restitution in Österreich 1938 bis Heute,  1999